Diagnose und Verlauf der AVWS

Für das Bewältigen ihrer Einschränkung ist für Betroffene eine Diagnose wichtig.
Eine Diagnose ermöglicht Betroffenen, dass sie ihr Umfeld informieren und sich um eine Behandlung kümmern können.

Fragen an die Teilnehmenden

In "SL.AVWS" wurden die Teilnehmenden gefragt:

  • ob eine AVWS bei ihnen diagnostiziert wurde
  • wann die Diagnose gestellt wurde
  • wer die Diagnose gestellt hat
  • und wie es für sie nach der Diagnose weiterging

Bei 80 % der 125 Teilnehmenden wurde eine Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung diagnostiziert (siehe Abbildung).
Für 3 % der Befragten ergab die Diagnostik keine AVWS-Diagnose.

Die Mehrheit der Teilnehmenden (44 %) erhielt die Diagnose AVWS bis zum 7. Lebensjahr bzw. im Grundschulalter zwischen 8 und 12 Jahren (36 %).
Nur bei 12 % wurde eine Diagnose nach dem 18. Lebensjahr gestellt.

Der Großteil der Teilnehmenden (45,1 %) hat die Diagnose AVWS in einer Praxis oder Klinik für HNO-Heilkunde erhalten. 23,1 % bekamen diese in der Abteilung Pädaudiologie einer Klinik.

19,8 % der Teilnehmenden bekamen die Diagnose in einer Pädagogisch-audiologischen Beratungsstelle und weitere 16,5 % beim Kinderarzt.
14,3 % geben an, ihre Diagnose von einer Praxis für Logopädie, Ergotherapie und Audiotherapie erhalten zu haben.

Man kann den Weg zur Diagnose und den Verlauf der AVWS noch detaillierter beschreiben.
Betroffene mit einer AVWS … 

  • machen sehr unterschiedliche Erfahrungen, was eine Diagnose ihrer AVWS betrifft.
  • erleben zum Teil viele Arzt-Wechsel und lange Warte-Zeiten bis zur Diagnose ihrer AVWS.
  • beschreiben erste Auffälligkeiten meist schon für das Kindergarten- und Grundschul-Alter.
  • erleben Stigmatisierung, weil andere nichts über AVWS wissen.
  • verarbeiten ihre AVWS sehr unterschiedlich, was für viele auch mit einem Wechsel an eine Schule mit Förderschwerpunkt Hören verbunden ist.
  • haben verschiedene Hilfs- und Heilmittel für die Bewältigung ihrer AVWS ausprobiert und genutzt.


Exemplarisch hier 3 Beispiele für den Weg zur Diagnose AVWS und den weiteren Verlauf.

Erste Auffälligkeiten:

im Kindergarten / in der Grundschule 

  • Namen nicht merken können
  • Anweisungen nicht folgen können
  • Diktat nicht mitscheiben können
 
Beginn Diagnostik:

im Alter von 8 Jahren 
Verdacht auf Hörschädigung bzw. Schwerhörigkeit

Diagnose AVWS:im Alter von ca. 14 Jahren
durch HNO-Arzt
Bildungs-Weg: 
  1. Grundschule (1. bis 2. Klasse)
  2. Sprachheilschule (3. bis 6. Klasse)
  3. Hauptschule
  4. Realschule mit Förderschwerpunkt Hören
    (8. bis 10. Klasse, Realschul-Abschluss)
  5. Duale Berufs-Ausbildung
 

Hilfs- und Heilmittel für AVWS:

 
  • Hörgeräte (Grundschule)
  • fest installierte FM-Anlage (Realschule, Förderschwerpunkt Hören)
  • eigene FM-Anlage (Duale Berufs-Ausbildung)
  • gute Lernbedingungen, wie zum Beispiel kleine Klassengröße (Realschule, Förderschwerpunkt Hören)
 
Weitere Diagnosen:Lese-Rechtschreib-Schwäche

„Ich muss zugeben, ich hab irgendwann manch mittendrin gesagt, dass ich keine Diagnose und Ärzte mehr will, weil es mir einfach gereicht hat. Waren meine Eltern aber auch dafür, weil es war unheimlich viel. Ich hab während der Grundschulzeit dauernd in der Schule gefehlt. Und es hat mir dann einfach gereicht, und dann wollte ich meine Ruhe haben.“
(W. P., 77)

Erste Auffälligkeiten:

in der Grundschule

  • schlechte Noten trotz großer Lernanstrengung
  • gute Ergebnisse beim Intelligenz-Test
  • in der Klasse hinten sitzen und nichts hören
  • nach der Schule vollkommen "k.o." sein
 
Beginn Diagnostik:

im Alter von ca. 7 Jahren
Verdacht auf Probleme mit dem Sehen bzw. Hören

Diagnose AVWS:

im Alter von ca. 7 Jahren
durch HNO-Ärztin

Bildungs-Weg: 
  1. Grundschule (1. bis 2. Klasse) 
  2. Hör-Sprachzentrum (2. bis 10. Klasse, Realschul-Abschluss)
  3. Gymnasium (11. bis 13. Klasse, Abitur)
  4. Studium an Fach-Hochschule
 

Hilfs- und Heilmittel für AVWS:

 
  • eigene FM-Anlage (Gymnasium)
  • gute Lernbedingungen, wie zum Beispiel kleine Klassengröße, große Rücksichtnahme (Hör-Sprach-Zentrum)
 
Weitere Diagnosen:keine

„Ich hatte nur eine Lehrerin, die mich massiv immer als dumm hingestellt hat. Weil da war noch nicht klar, dass ich AVWS habe, und ich hab eben nichts mitbekommen im Unterricht. Ähm, und die hat mich sehr massiv, äh, auch vor anderen bloßgestellt. Also das war wirklich nicht schön. Das war wirklich dann so, dass alle aufstehen durften nach dem der Test rausgegeben wurde, und sie hat nach Noten sortiert, und die Besten durften sich dann hinsetzen, und ich war halt immer die Letzte, die stand.“
(O. V.,  33)

 

Erste Auffälligkeiten:

Grundschule

  • Diktate nicht mitschreiben können
  • Laute verwechseln: M und N
  • schlechte Noten
 
Beginn Diagnostik:

im Alter von ca. 7 Jahren (Grundschule) 
Verdacht auf Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS)

Diagnose AVWS:

im Alter von ca. 9 Jahren (Grundschule)
in Pädagogisch-Audiologischer Beratungsstelle

Bildungs-Weg: 
  1. Grundschule (1. bis 4. Klasse)
  2. Gesamtschule (5. bis 10. Klasse, Realschulschul-Abschluss)
  3. Berufsausbildung an Fach-Oberschule
 

Hilfs- und Heilmittel für AVWS:

 
  • eigene FM-Anlage (Gesamtschule)
  • gute Lernbedingungen wie zum Beispiel extra Unterrichtsraum für Hörgeschädigte, engagierte Lehrerin
 
Weitere Diagnosen:keine

„Also meine Lehrerin hatte da echt sich richtig eingesetzt für mich, dass das alles äh klappt. Also die hatte so, endlich nach der Lehrerin, die ich vorher hatte, die das Ganze nicht mochte, so ungefähr, hatte ich jetzt ne Lehrerin, die total gekämpft hat für mich. Ja.“
(P. S., 195)

Druck-Version dieser Seite

Hier können Sie diese Seite als PDF-Dokument herunterladen.